Das macht in etwa 38,8 cm pro Stunde. Ach so, wovon ich eigentlich rede… von der Bauzeit eines Wolkenkratzers mit dem Namen ‚Sky City‘, errichtet mit einer Höhe von 838 Metern in nur 90 Tagen in der Stadt Changsha in der chinesischen Provinz Hunan. 90 Tage! In dieser Zeit eine sichere und zuverlässige Baukonstruktion dieser Höhe zu erstellen, wäre der absolute Wahnsinn. Dass sich das machen lässt, behauptet auf jeden Fall die Baufirma Broad Group. Erfahrungen hat die Firma bisher mit einem 15-stöckigen Gebäude und einem Gebäude mit 30 Geschossen gesammelt, die in 6 bzw. 15 Tagen fertiggestellt wurden. Aber 220 Geschosse sind noch ein anderes Kaliber. Dennoch wäre es eine Rekordhöhe in Rekordzeit.
Wenn die Baufirma mit ihren Ankündigungen Recht behält, dann werden die Arbeiten an diesem außergewöhnlichen Bauwerk noch Ende August fortgesetzt. Fortgesetzt darum, weil die Behörden in Changsha Anfang des Monats den Bau erst einmal gestoppt haben. Man begann im Juli zwar mit Arbeiten an der Baugrube inklusive einer feierlichen Grundsteinlegung, aber die Behörden gaben Ende Juli bekannt, dass man noch keine Baugenehmigung erteilt habe. Weitergebaut wird erst, wenn die Broad Group noch fehlende Papiere zur Prüfung eingereicht hat.
Natürlich sind die 90 Tage Bauzeit nur eine Seite der Medaille. Zur anderen Seite gehört die Zeit, in der die vorgefertigten Bauelemente in einem Werk in der näheren Umgebung der Baustelle erstellt werden sollen. Man will auf diese Weise 95% der gesamten Konstruktion schon in kleineren Modulen an die Baustelle transportieren. Hierfür sind noch einmal 120 Tage veranschlagt. Und dazu gehört auch die Arbeitskraft, die die Broad Group für dieses Projekt zur Verfügung stellen will. 20.000 Arbeiter sollen in der Vorfertigung tätig sein, weitere 3.000 Tag und Nacht auf der Baustelle selber.
Egal wie. Wenn alles halbwegs nach Plan läuft, steht in Changsha im Frühjahr 2014 das höchste Gebäude der Welt. Die Bauhöhe des aktuellen Rekordhalters, dem Burj Khalifa in Dubai, wird dann um 10 Meter übertroffen. Die Bauzeit von Sky City soll bei ungefähr einem Zehntel liegen. Die Baukosten werden in der Summe aktuell mit etwa 1,1 Milliarden Euro beziffert.
Sky City soll nach der Fertigstellung Platz für mehr als 30.000 Menschen bieten, darunter ein Hotel für 1.000 Gäste, ein Krankenhaus, 5 Schulen, Theater, Kinos und Büros. Von 1,2 Millionen m² Gesamtnutzfläche des Gebäudes sind jedoch 83% als Wohnraum für über 17.000 Menschen in knapp 5.000 Wohnungen eingeplant. Hinzu kommen eine 10 km lange Einkaufsstraße, 8000 m² Garten, ein 720 m² großer Swimmingpool, 6 Basketballplätze, 10 Tennisplätze und 17 Landeplätze für Helikopter. Naja, wer’s braucht…
Für die Sicherheit der Bewohner sind 10 Fluchtwege vorgesehen, die jeden in 15 Minuten ins Freie bringen. Nach chinesischen Berechnungen soll die tragende Konstruktion des Gebäude eine Feuerwiderstandsdauer von 180 Minuten aufweisen. Ähnliches hatte man ursprünglich vom World Trade Center wohl auch erwartet. Zudem soll das – trotz der 270.000 Tonnen verbauten Stahls – in Leichtbauweise errichtete Gebäude Erdbeben der Stärke 9,0 widerstehen können.
Experten in Sachen Statik äußern jedoch Bedenken, dass die untersten Etagen eines Gebäudes dieser Höhe, das in modularer Bauweise erbaut wird, den auftretenden Windbelastungen standhalten können. Auf jeden Fall muss man mit größeren Schwingungen rechnen. Zudem müsse man in solchen Gebäuden hochfesten Beton einsetzen, womit aber der Baugeschwindigkeit Grenzen gesetzt würden. Und nicht zuletzt sieht man die Sicherheit der 30.000 Nutzer und Bewohner ernsthaft gefährdet, da man den Berechnungen und Aussagen der Planer in Bezug Brandschutz und Erdbebensicherheit nicht traut. Alleine die fehlende Erreichbarkeit der oberen Etagen durch die Feuerwehr sei schon ein Ausschlusskriterium.
Ansonsten wird es im Gebäude 104 Fahrstühle geben, die mit Hochgeschwindigkeit von Etage zu Etage eilen. Im Gebäude selber sollen Filter der Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung dafür sorgen, dass die Luft drinnen 20 Mal reiner ist als draußen. In China sollte das mit einem Filter der Partikelklasse G3 oder G4 schon durchaus machbar sein. Die Fenster bestehen aus 4-fach-Verglasung und sollen helfen, dass das Gebäude sich nicht auf über 27°C erwärmt. In den Außenwänden werden etwa 15 cm Wärmedämmung eingebaut. Für eine energiesparende Beleuchtung werden LEDs eingesetzt.
Mit dem Bauwerk will die Broad Group der ansteigenden Platznot in chinesischen Metropolen entgegen wirken. Städte wachsen und benötigen immer größere Mengen an Energie und Transportmöglichkeiten. Nicht verwunderlich, dass man in China im Jahr 2012 umgerechnet 200 Milliarden Euro in den Bau von Hochhäusern investierte. Demnach sei es eine gute Lösung, vertikale Städte wie Sky City zu errichten. Für einen Bewohner von Sky City gäbe es nach Aussagen der Broad Group so viele Angebote, die das tägliche Leben unterstützen, dass er/sie das Gebäude im Prinzip gar nicht mehr verlassen müsse.
Schöne, neue Welt…
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