Diesmal etwas ganz anderes. Auch kein speziell deutsches Thema. Und zudem nur eiskalt zu genießen. Aber doch sehr interessant. Es geht um die neue britische Forschungsstation Halley VI, die vor 2 Wochen in der Antarktis ihren Dienst aufgenommen hat. Rein technisch eine Herausforderung, die man als normalsterblicher und mitteleuropäischer Bauingenieur gar nicht meistern könnte. Extrem widrige Witterungsbedingungen und die Einsamkeit stellen an dieser Stelle der Erde hohe Anforderungen an Mensch und Technik. Diese Erfahrungen mussten auch die britischen Ingenieure machen, die seit 1956 schon 5 Forschungsstationen an das ewige Eis verloren hatten. Doch warum soll es mit Nummer 6 jetzt besser laufen?
Laufen ist hierbei schon das Stichwort. Halley VI steht im Gegensatz zu seinen Vorfahren auf Beinen, die hydraulisch angehoben und wieder abgesenkt werden können. Die älteren Halley-Stationen I bis IV – im Übrigen nach dem britischen Astronomen Edmond Halley (der mit dem Komenten) benannt – wurden jeden Winter von einer mehr als einen Meter hohen Neuschneedecke heimgesucht und darunter förmlich begraben, bis sie am Ende unbewohnbar waren. Das sollen die beweglichen Beine unter Halley VI verhindern. Diese werden nach dem Schneefall Eines nach dem Anderen angehoben, die entstehenden Löcher werden mit Schnee aufgefüllt und die Beine strecken sich wieder aus. Das erste Problem war also gelöst.
Blieb noch die Tatsache, dass sich die Forschungsstationen auf der Brunt Schelfeisplatte befinden. Diese hat nur leider die dumme Angewohnheit, dass ihre Oberfläche sich mehrere hundert Meter im Jahr bewegt. Mit der Zeit näherten sich die Stationen I bis V also immer mehr dem Ozean. Untrügliches Indiz dafür ist der Name der Gegend, der von ‚Halley Bay‘ in ‚Halley‘ geändert wurde, da irgendwann einfach keine Bucht mehr da war. Bilder von Halley III, die die Station tief versunken in einem Eisberg mit freiem Blick auf das Meer zeigen, bestätigen dieses Problem. Die Beine von Halley VI wurde aus diesem Grund auf Kufen gestellt, damit man die ganze Forschungsstation mit zwei Traktoren, die zusammen 2400 PS auf den Schnee bringen, wieder zurück ins Landesinnere transportieren kann.
Ein internationales Team unter Leitung des Royal Institute of British Architects (RIBA) hat sich also in den letzten 6 Jahren einiges einfallen lassen, um diese Version der Station zu einem zukunftssichereren Projekt zu machen. Veranschlagt wurde hierzu anfänglich Entwicklungs- und Baukosten von 19 Millionen Britischen Pfund (daraus wurden am Ende knapp 26 Millionen) sowie eine Lebensdauer von 20 Jahren. Einige meinen sogar, dass es sich bei Halley VI um eines der ambitioniertesten Bauprojekte unserer Zeit handelt. Obwohl die Lufttemperatur zu schreibender Stunde vor Ort nur -11°C beträgt, hat man die Station gegen Außentemperaturen von -60°C gesichert. An 105 Tagen des Jahres herrscht dort 24 Stunden am Tag Finsternis und weder vom Wasser noch aus der Luft ist die Station wegen des Klimas zu erreichen. Hinzu kommen Schneefall an 175 Tagen des Jahres sowie Windgeschwindigkeiten von über 40 m/s. Genügten zum Schutz vor diesem lokalen Klima in früheren Jahrzehnten Holzhütten und Stahltunnel, geht man nun andere Wege.
Dazu mussten natürlich alle Materialien und Ausstattung mit dem Schiff von der ‚Baustelle‘ im südafrikanischen Kapstadt vor Ort und Stelle transportiert werden können. Zudem durften die Entwickler nur standardisierte Teile verwenden, um durch eine einfache Wartung bestehender Komponenten sowie Lagerung von Ersatzteilen einen fehlerfreies System in der Antarktis sicherstellen zu können. Am Ende der Lebenszeit muss die Station dann noch komplett wieder rückgebaut werden können, um den Forderungen des Antarktisvertrags gerecht werden können. Dass der Verbrauch von Energie während der aktiven Zeit der Station so gering wie möglich sein soll, versteht sich in solch Einöde nahezu von selbst. Dafür wurde Dreifachverglasung eingesetzt, teilweise auch mit transluzentem Nanogel.
Die britische Firma Servaccomm – Spezialist für Modulbauten – bekam den Auftrag, die verschiedenen Nutzungszellen wie Schlafzimmer, Badezimmer, Waschküche, Lagerraum oder Besprechungsraum zu entwerfen und zu produzieren. Die 26 Zellen wurden in Stahlskelettbauweise gänzlich vorgefertigt an das ewige Eis geliefert und vor Ort nur noch in die äußere Struktur der Stationsmodule eingesetzt. Die Außenhülle besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GRP), wobei die ersten Tests mit GRP-Elementen noch wegen Rissen in der Hülle fehlschlugen. GRP-Elemente haben dennoch wichtige Vorteile gegenüber Structural Insulated Panels (SIPs, kleinformatige Holzwerkstoffplatten als Oberfläche und Wärmebrücken aus Holz) oder Dämmelementen, die normalerweise für Tiefkühlräume eingesetzt werden (zu schnelle Alterung des Dämmstoffes). Für einen ausreichenden Brandschutz wurde dem GRP-Harz Aluminiumhydroxid zugesetzt. Die Elemente haben eine maximale Größe von 10,4 mal 3,3 m.
Die Station mit ihren über 1500 Quadratmetern Fläche besteht aus 2 Forschungsmodulen mit Büros, Werkstätten und Laboren, 2 Energie- und Technikmodulen, 2 Wohnmodulen, einer Kommandobrücke sowie einer außen rot angestrichenen Zentralstation mit Bibliothek, Küche, Gemeinschaftsraum, Fitnessraum usw. auf zwei Etagen, die wie Zugwaggons miteinander verbunden sind. Die Innenausstattung der 8 Module wird als futuristisch und visionär bezeichnet und lässt alles andere als klaustrophobe Stimmung aufkommen. Selbst bei Vollbelegung im Sommer zwischen Dezember und März (jaja, andere Hemisphäre) mit etwa 70 Personen sorgen die offenen und hellen Räume für freundliche Gemüter in so begrenztem Raum. Im harschen Polarwinter befinden sich hingegen nur etwa 16 Menschen auf der Station. Dabei ist Halley VI eine der ersten Forschungsstationen in der Antarktis, bei deren Gestaltung die Architektur eine wichtige Rolle gespielt hat.
Wie seine Vorgänger liefert Halley VI der Wissenschaft in dieser noch sehr reinen Polarluft Antworten auf atmosphärische, klimatische und meteorologische Fragen. 50 Jahre Wetteraufzeichnungen sind eine sehr wertvolle Datengrundlage. So konnte 1985 mithilfe der Daten der Halley-Stationen beispielsweise das Ozonloch dokumentiert werden, was zwei Jahre später zum Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) im Rahmen des Montrealer Protokolls führte. Aktuell konzentriert man sich eher auf das Thema ‚Sonnenaktivität‘ und deren Einfluss auf die Erde. Speziell die Position der Station inmitten der Polarlichtzone ist dabei von großem Vorteil.
Interessantes Thema, aber der Arbeitsplatz (bzw. die Umgebung) wäre mir persönlich zu kalt.
Ja, mir auch. Und zu dunkel im Winter. Und zu hell im Sommer. Und überhaupt, das passt einfach nicht.