Nun muss eigentlich jeder Fussballfan, der auch ein wenig vom Bauwesen versteht, aufhorchen: Der FC Barcelona hat beschlossen, sein Stadion Camp Nou, umzubauen und zu erweitern. Technisch interessant ist dies, weil man letzte Woche bestimmt hat, dass dieser Umbau während des laufenden Betriebes stattfinden soll. Ein Abriss und ein Neubau vom weltbekannten und Europas größtem Fußballstadion, das sicher auf eine Stufe mit Londons Wembley-Stadion und dem Maracana-Stadion in Rio De Janeiro zu setzen ist, an anderer Stelle ist somit vom Tisch.
Das Camp Nou wird nach dem Umbau 105.000 Zuschauern einen Platz bieten können. Heute gibt es in der 56 Jahre alten und 48 Meter hohen Arena ’nur‘ 99.354 Plätze. Nach knapp 4 Jahren sollen die Arbeiten abgeschlossen sein und auf dem aktuellen Stadiongelände ein neues Fußballstadion stehen. Allerdings werden bis zum geplanten Baubeginn noch ein paar Sonntage vergehen; das Stadion soll erst ab Mai 2017 umgebaut werden. Danach soll der Spielbetrieb der ersten Mannschaft des FC Barcelona trotz der umfangreichen Bauarbeiten aber normal weitergeführt werden können. Nur 10% der Dauerkartenbesitzer sollen hierfür umziehen müssen – aber sie bekommen immer einen Platz mit besserer Sicht auf das Spielfeld angeboten.
Seit seiner Eröffnung am 24. September 1957 ist einiges am Stadion verändert worden. Schon 1959 wurde eine Flutlichtanlage installiert. Nach mehreren Erweiterung und Verkleinerungen wurde die maximale Zuschauerzahl letztendlich um etwas mehr als 6.000 Plätze erhöht – unter anderem durch Absenkung des Spielfeldes, wodurch die Spielfeldgröße von 107×72 Meter auf 105×68 Meter reduziert wurde, um auch den Ansprüchen der UEFA Genüge tun zu können. Die UEFA hat dem Camp Nou also nicht nur wegen der kleinen Extras (Museum, Kapelle, Dokumentationscenter, mehrere Fernsehstudios und sportmedizinisches Center) die maximale Anzahl von 5 Sternen verliehen. Auf den aus Stahl und Beton errichteten Zuschauerrängen habe die Fans im Laufe der Jahre schon Finalen der Champions League und der Olympischen Spiele von 1992 aber auch Auftritten von Bruce Springsteen, Michael Jackson und U2 beiwohnen dürfen.
Im Rahmen der Renovierung wird beispielsweise das Dach in einem Oval über alle Zuschauerränge erweitert. Außerhalb der Haupttribüne werden die Zuschauer bei Spielen ihres Vereins heute noch nass, wenn es denn in Katalonien mal regnet. Solch ein Dach wird auch dafür sorgen, dass die Stimmung in der Arena über einen erhöhten Lautstärkepegel angeheizt wird. Der Innenraum soll generell neu gestaltet werden, wobei die unteren Zuschauerreihen steiler angelegt werden und so näher an das Spielfeld rücken. Das bringt in den oberen Reihen Platz für lukrative Restaurants und ‚Super-Logen‘. 3.500 der knapp 6.000 zusätzlichen Zuschauerplätze sollen in Logen entstehen. Zudem soll die Fassade des Stadions ein dringend notwendiges Face-Lifting erhalten.
Die gesamten Baukosten werden heute mit 600 Millionen Euro angegeben. Darin enthalten sind neben den Kosten für den eigentlichen Stadionumbau auch Begleitprojekte wie eine Sporthalle für maximal 12.000 Zuschauer, dem ‚Palau Blaugrana‘. Die Sportarten Basketball und Handball werden beim FC Barcelona schließlich auch recht erfolgreich gespielt und für Konzerte kann man so eine Halle immer gebrauchen. Hinzu kommen 5.000 Parkplätze (ok, die sind nicht ganz so teuer) und eine weiteres, kleineres Stadion für 2000 Gäste.
Der vor 3 Tagen abgesetzte Präsident des FC Barcelona, Sandro Rosell, nannte letzte Woche noch (ja, so schnell dreht sich die Welt…) die Tradition als ein ausschlaggebendes Entscheidungskriterium für einen Umbau und gegen einen Neubau nach Plänen von Sir Norman Foster auf einem Sportgelände am Rande der Stadt, das derzeit der Universität Barcelona gehört: ‚Das Camp Nou ist Teil unserer gemeinsamen Erinnerungen, das größte Stadion in Europa und eine Ikone für die Stadt Barcelona‘. Allerdings werden neben der Tradition des Fußballstadions auch ökonomische Überlegungen den Ausschlag für einem Umbau gegeben haben, da der Verein sich nach Angaben von Rosell für einen Neubau an anderer Stelle hätte verschulden müssen.
Eine Ausführung von Foster’s Entwurf auf dem jetzigen Stadiongelände im Stadtteil Les Corts scheiterte hingegen nicht nur an den Kosten. Bei diesem Vorschlag hätte man auch einen Eingriff in die tragenden Strukturen des Camp Nou vornehmen müssen, wobei dann ein ungestörter Spielbetrieb nicht mehr möglich gewesen wäre. Der angenommene Vorschlag für den Umbau wird unter anderem mit einer Verbesserung der folgenden Aspekte begründet: Funktionalität, Zugänglichkeit, Mobilität, Nachhaltigkeit, Moderne und Qualität.
Eine letzte Hürde muss das Vorhaben allerdings noch passieren: Anfang April dürfen die Mitglieder des FC Barcelona, der mehr ist als ein Verein (‚mes que un club‘), über die Durchführung der Arbeiten in einem Referendum abstimmen. Ob Superstar Lionel Messi die voraussichtliche Fertigstellung im Jahre 2021 allerdings als aktiver Sportler noch erlebt, ist nicht ganz sicher.
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