Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Bein wäre amputiert. Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären blind. Oder stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten Multiple Sklerose. Würden Sie sich dann in Ihrer Wohnung, in Ihren wohlbekannten eigenen 4 Wänden leben können? Wahrscheinlich nicht. Denn in den allermeisten Fällen sind Gebäude nicht so geplant und ausgestattet, dass Behinderungen das tägliche Leben möglich machen würden. Der Begriff der Barrierefreiheit taucht seit den 90er Jahren in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Doch was muss man darunter eigentlich verstehen? Barreriefreiheit für Rollstuhlfahrer ist da ein wenig eng gedacht.
In Artikel 3, Absatz 3, des Grundgesetzes steht unter anderem:
Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Doch ist das auch wirklich immer so der Fall? Oder ist das auch wirklich immer so möglich?
Im Bauwesen versucht man dieser Forderung durch entsprechende Ausführungen in den Landesbauordnungen (LBO) sowie unter anderem durch DIN 18040 gerecht zu werden. Bei öffentlichen Bauvorhaben ist die Barrierefreiheit eines Gebäudes mittlerweile zu einem unerlässlichen Aspekt geworden. Doch auch im Bereich des privaten Bauens wird die Barrierefreiheit durch das älter Werden der Bevölkerung und sich wandelnde sozio-familiäre Strukturen immer wichtiger. Dabei geht es jedoch nicht immer nur um den Wunsch, älteren oder gebrechlichen Menschen das Leben zu erleichtern, sondern immer häufiger auch darum, Eltern den Zugang zu Gebäuden mit Kinderwagen zu ermöglichen. Kinderwagen und Rollstühle haben da ähnliche Probleme mit engen Türen und Treppen.
Das barrierefreie Bauen schließt also ausdrücklich menschliche Möglichkeiten in allen Facetten ein. Das Ziel ist es, einen Lebensraum so zu gestalten, dass sowohl der Bedarf von Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen als auch die Realität des Alterns und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen berücksichtigt werden. Wie eingangs schon erwähnt, geht es dabei nicht nur um die Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer. So wichtig ein Treppenlift, eine Rollstuhlrampe, eine Einstieghilfe an der Badewanne oder eine Tastkante auch sein mögen, alleine eingesetzt helfen sie der Sache nur selten zum Erfolg.
Als barrierefrei gilt eine Wohnung oder ein Gebäude unter anderem nur dann, wenn neben dem direkten Zugang zum Haus auch beispielsweise der Weg zur Mülltonne ungehindert zugänglich oder wenn die Tür zur Wohnung problemlos zu öffnen ist. Dabei darf man nicht nur an das Jetzt und Hier denken, sondern sollte auch die Zukunft im Auge haben. Erst wenn man eine Wohnung so plant und gestaltet, dass man auch darin alt werden kann ohne in seiner Selbstständigkeit gehindert zu werden, ist das Ziel erreicht.
Das Problem dabei ist allerdings, dass jede Art der Einschränkung, jede Krankheit und jede Behinderung ein ganz auf die Bedürfnisse der Menschen eingestelltes Umfeld notwendig machen. Ein sehbehinderter Mensch braucht ganz andere Hilfestellungen in seinem privaten Wohnbereich als jemand, der an Multipler Sklerose erkrankt ist. Das lässt sich für die eigene Wohnung vielleicht noch bewerkstelligen, doch bei öffentlichen Gebäuden stößt man an Grenzen, die nicht nur durch die baulichen Gegebenheiten definiert sind, sondern allzu oft leider auch durch finanzielle.
Um die generellen Anforderungen zu skizzieren, sind die in DIN 18040 genannten Aspekte zum Thema Barrierefreiheit in öffentlich zugänglichen Gebäuden und Wohnungen hier einmal wiedergegeben:
- Grundstück
- Innenraum
- Türen
- Bodenbeläge
- Aufzüge/Treppen/Rampen
- Rollstuhlabstellplätze
- Bedienelemente und Kommunikationsanlagen
- Badewannen/Duschplätze
- Balkon/Terrasse
- Fenster
- Sanitärräume/Toiletten/Waschplätze
- Wohnräume/Schlafräume/Küchen
Bei der Planung barrierefreier Gebäude sind also etliche Randbedingungen zu prüfen und einzuhalten. Da sollte man es dem Planer und Architekten nachsehen, wenn nicht allen Bedürfnissen Rechenschaft getragen wurde bzw. werden konnte – auch wenn das Grundgesetz und ein größer werdender Teil der Bevölkerung das anders sehen.
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