Offensichtlich braucht jede deutsche Großstadt, die was auf sich hält, ein Bauprojekt, das zu einem finanziellen Fiasko wird. Stuttgart hat seinen neuen Zentralbahnhof Stuttgart 21, Berlin-Brandenburg seinen Flughafen BER und in Hamburg gibt es die Elbphilharmonie, auf die die Hamburger aber noch recht stolz sind. In und auf dem Kaispeicher A, der Teil der alten Speicherstadt Hamburgs ist, wird hier seit 2007 an einem Konzerthaus gebaut, das von den Architekten Herzog & de Meuron geplant wurde und von Hochtief gebaut wird. Nach aktuellem Stand der Planung soll die Eröffnung im Jahre 2017 stattfinden. Doch da die Eröffnung ursprünglich schon für 2010 geplant war, wird bis zur Fertigstellung noch viel Wasser die Elbe hinunter fließen.
Gravierende Baumängel und Baukosten, die bisher nur den steilen Weg nach oben kannten, sind Schuld an dieser ungewöhnlichen Verzögerung der Fertigstellung der Elbphilharmonie. Zuletzt stand der Bau mehrere Monate still, weil große Luftblasen in den tragenden Betonwänden Probleme mit dem Einbau des Daches verursachten und sich Hochtief und der Bauherr nicht über die Deckung der entstehen Mehrkosten einigen konnten. Insgesamt hatte die Realisierungsgesellschaft 9000 Mängel beanstandet. Hochtief äußerte in 350 Fällen Bedenken, die unter anderem die Statik des Gebäudes und geplante Stahlbetonkonstruktion betrafen. Die Bau- und Planungskosten sind von anfänglich in einer Machbarkeitsstudie veranschlagten 186 Million Euro auf nunmehr knapp 600 Millionen Euro gestiegen.
Von Seiten der Bauherrschaft, die im Endeffekt bei der Stadt Hamburg liegt, bewahrt man jedoch den nordisch trockenen Humor und bezeichnet das Projekt auf der Homepage der Elbphilharmonie als ‚Europas größter Kulturbaustelle‘. Auch der Intendant von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, Christoph Lieben-Seutter, hat laut eigener Aussage immer noch Spaß an Baustellenbesuchen.
Scheinbar gibt es ja auch Hoffnung, die diesen Optimismus begründet. Immerhin konnten sich Hochtief und der Bauherr Mitte letzten Jahres darauf einigen, dass die Elbphilharmonie erfolgreich fertiggestellt werden soll. Der große Umschwung soll dabei durch die künftige Zusammenarbeit von Baufirma und Architekten kommen, die ein Jahr Zeit bekommen, ein tragbares Baukonzept auszuarbeiten, das dann auch fehlerfrei umgesetzt werden soll. Anfänglich oblagen Entwurfsplanung und Ausführungsplanung den Architekten, wohingegen Hochtief für die Tragwerkstatik und die technischen Gebäudeausrüstung (TGA) verantwortlich zeichnete. Dieses Modell war scheinbar nicht so sehr erfolgreich. Hochtief erklärte sich für eine Zahlung von 198 Millionen Euro zuletzt jedoch bereit, auf weitere Nachtragsforderungen zu verzichten und die Haftung für die Gesamtplanung zu übernehmen.
Natürlich, die Architektur ist eines der wesentlichen Merkmale der Elbphilharmonie. Dafür sorgen schon die Namen Herzog & de Meuron, die unter anderem auch das Olympiastadion in Beijing, den Umbau der Tate Modern in London oder die Allianz-Arena in München geplant haben. Die Fassade besteht dabei oberhalb der Originalwände aus Backsteinen beispielsweise aus fast 1100 individuell ausgeführten Glaselementen mit einem Stückpreis von durchschnittlich 20.000 Euro, in denen sich Himmel, Wasser und Stadt wie in einem Kristall spiegeln sollen. Das Dach ähnelt in seiner geschwungenen Form den Wellen der Elbe.
Die 26 Geschosse, in denen sich neben den 3 Konzertsälen – von denen der erste Entwurf allerdings nur einen Saal vorsah – auch noch ein 5-Sterne-Hotel der Westin-Kette (hier geht man von einer Eröffnung im Jahr 2014 aus), Restaurants, Eigentumswohnungen und ein Parkhaus mit über 500 Stellplätzen befinden, können über 29 Aufzüge erreicht werden. Auf einer öffentlichen Plaza in 35 Metern Höhe kann der Besucher die gesamte Stadt überblicken. Hierzu soll ein Zugang über eine mehr als 80 Meter lange, gebogene Rolltreppe geschaffen werden, die in einem fugenlos gegossenen (!) Betontunnel laufen soll. Solch ein Tunnel wird in anderen Fachgebieten auch als Windkanal bezeichnet.
Die Konstruktion des Großen Konzertsaales, in dem 2150 Zuschauer in mehreren Etagen im Weinberg-Stil um das Orchester herum sitzen, ist jedoch ein technisches Meisterwerk. Neben einer unvergleichlichen Raumakustik, die durch den bekannten japanischen Akustikspezialist Yasuhisa Toyota geplant wurde (unter anderem sind 10.000 Gipsfaserplatten mit speziell angefertigter Oberfläche verbaut), ist die bauliche Entkopplung des Saales vom restlichen Gebäude ein paar Worte wert. Hier wird der Konzertsaal mit einem Gewicht von 12.500 Tonnen und einer Höhe von 50 Metern durch Stahlfedern getragen und ist nicht mit der Hülle des alten Speicherhauses verbunden. So kann kein Schall von außen ein Konzert stören.
Die Akustik ist aber wahrscheinlich auch einer der einzigen Aspekte, die an der Elbphilharmonie wie geplant wirken (werden). Ansonsten gibt es immer noch etliche bautechnische und bauphysikalische Herausforderungen im Kleinen und Großen zu lösen, die ihren Ursprung nicht zuletzt in der mangelhaften Koordination der Planungsarbeiten haben. Immerhin sieht es so aus, als wenn dieses Prestigeprojekt den Steuerzahler nicht viel mehr kosten wird, als nun vermeldet. Aber bis zum Bauende fließt ja noch ein wenig Wasser die Elbe hinunter…
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