Entsprechend der seit letztem Jahr gültigen Bauproduktenverordnung (BauPVo, EU 305/2011) darf jedes Bauprodukt, das ein CE-Kennzeichen besitzt, auch in Deutschland ohne weitere Auflagen vertrieben und eingesetzt werden. Das gilt für Türen und Bodenbeläge genauso wie für Wärmedämmstoffe und Brandschutzklappen. Doch in Deutschland fordert das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) auch für so gekennzeichnete Produkte die Anerkennung über allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen und Ü-Zeichen. Gegen diese disharmonischen Regeln klagt die Europäische Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof, der am 16. Oktober über die Zukunft von Bauregellisten & Co. entscheiden will. Der Ausgang könnte bedeutungsvoll werden.
Artikel 8 Abs. 3 und 4 der Bauproduktenverordnung, in denen die Handelsfreiheit im harmonisierten Europa definiert ist, lauten wie folgt:
(3) Im Falle der von einer harmonisierten Norm erfassten Bauprodukte oder von Bauprodukten, für die eine Europäische Technische Bewertung ausgestellt worden ist, ist die CE-Kennzeichnung die einzige Kennzeichnung, die die Konformität des Bauprodukts mit der erklärten Leistung in Bezug auf die Wesentlichen Merkmale, die von dieser harmonisierten Norm oder der Europäischen Technischen Bewertung erfasst sind, bescheinigt.
Die Mitgliedstaaten führen diesbezüglich keine Bezugnahme ein beziehungsweise machen jegliche in nationalen Maßnahmen vorgenommene Bezugnahme auf eine andere Kennzeichnung als die CE-Kennzeichnung, mit der die Konformität mit der erklärten Leistung in Bezug auf die von einer harmonisierten Norm erfassten Wesentlichen Merkmale bescheinigt wird, rückgängig.(4) Ein Mitgliedstaat darf in seinem Hoheitsgebiet oder in seinem Zuständigkeitsbereich die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung von Bauprodukten, die die CE-Kennzeichnung tragen, weder untersagen noch behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen.
Diesen Vorgaben entsprechen aber nicht die Zulassungsgepflogenheiten des DIBt, behaupten diverse Hersteller und Händler von Bauprodukten in Europa in den letzten Jahren. Die Europäische Kommission hat auf die Vorwürfe reagiert und stellte das deutsche Zulassungssystem mit Bauregelliste, Ü-Zeichen, Bemessungswerten für Wärmeleitfähigkeiten und allem Drum und Dran bereits 2012 vor dem EUGH in Frage.
Hersteller aus anderen Mitgliedstaaten könnten Bauprodukte nur unter großen Schwierigkeiten auf dem deutschen Markt verkaufen, da das Erwirken einer nationalen erweiterten Zulassung sowohl viel Geld als auch viel Zeit kosten kann. Zudem werde vom DIBt an bereits vor der Harmonisierung festgelegten Anforderungen festgehalten, welche durch Aufnahme der erforderlichen Bewertungsmethoden und -kriterien in den harmonisierten Rahmen hätten abgedeckt werden können und müssen.
Protektionismus? Ist es dieser Begriff, dessen Verwendung an dieser Stelle angebracht ist?
Jein. Technisch gesehen kann es natürlich Sinn machen, Anforderungen an Bauprodukte auf nationaler Ebene anzupassen. Dieses ist auch möglich, solange man sich an vorgegebenen Klassen und Leistungsstufen orientiert. Schwieriger wird es, wenn ein Land Anforderungen stellt, die ’nur‘ national als sinnvoll bzw. unerlässlich einstuft werden. Hierfür kann zwar die technische Seite sprechen, doch die juristische Seite spricht eine andere Sprache.
So wurde Ende 2012 einem deutschen Hersteller von Mineralwolle vor einem Verwaltungsgericht (noch unter Berücksichtigung der damals gültigen Bauproduktenrichtlinie) auf nationaler Ebene Recht gegeben. Dieser klagte gegen das DIBt und die seit 2008 bestehende Forderung, dass Wärmedämmstoffe aus Mineralwolle für einen Eintrag in der Bauregelliste B Teil 1 nicht mehr nur nach DIN EN 13501-1 europäisch harmonisch in die Klasse A1 eingestuft werden müssten, sondern auch das Glimmverhalten von solchen Baustoffen über einen Brandschachttest nach DIN 4102-16 nachzuweisen sei. Das ziemlich eindeutige Urteil lautete:
Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin (…) produzierten Bauprodukte, die in den Anwendungsbereich der DIN EN 13162 fallen, für die Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen ohne allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (§21 BauO NRW) verwendet werden dürfen.
Würde der Europäische Gerichtshof am 16. Oktober in der vorgenannten Rechtssache C-100/13 zu einem ähnlichen Ergebnis für alle Bauprodukte kommen und zudem noch – über harmonisiert genormte Produkte hinaus – solche Bauprodukte mit einbeziehen, deren europäische Zulassungen auf einer Europäische Technische Bewertung basieren, hätte das weitreichende Folgen für das deutsche Zulassungssystem.
Ich bin gespannt, wie weise der EUGH entscheiden wird.
Update: Hier das Urteil des EUGH gegen die Bundesrepublik und die Bauregellisten. Im Urteil wird allerdings nur auf CE-gekennzeichnete Produkte verwiesen, die von den harmonisierten Normen EN 681-2 (Elastomer-Dichtungen), EN 13162 (Wärmedämmstoffe für Gebäude) und EN 13241-1 (Tore) erfasst sind.
Die Bundesrepublik Deutschland hat (…) gegen ihre Verpflichtungen aus (…) der Richtlinie 89/106/EWG (…) verstoßen, dass sie durch die Bauregellisten, auf die die Bauordnungen der Bundesländer verweisen, zusätzliche Anforderungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung von Bauprodukten in Deutschland gestellt hat (…).
Jetzt bin ich gespannt, wie die Länder und das DIBt darauf reagieren werden.
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