Vakuumverglasung – auch Vakuumisolierglas (VIG) genannt – dämmt doppelt so gut wie Dreifach-Isolierglas, wiegt aber nur halb so viel. So weit die Theorie. Doch diese Theorie gibt es schon seit längerem. Bisher hat sie sich nur noch nicht so richtig in der Praxis durchsetzen können. In einem Forschungsprojekt mit dem Namen Winsmart, dass von der EU mit 3,8 Mio Euro gefördert wird, sollen in den kommenden 4 Jahren produzierbare Exemplare dieser Gattung Fenster entwickelt werden. Beteiligt sind Firmen und Forschungsinstitute in Deutschland, Dänemark, der Schweiz, Slowenien und Belgien. Am Ende der Arbeit sollen U-Werte von 0,3 W/m²K sowie andere brauchbare Eigenschaften erreicht werden. Dazu später mehr.
Verglichen mit heute für den Markt realistisch verfügbaren U-Werten um die 0,8 W/m²K ist diese Zielsetzung schon als Quantensprung zu werten. Denn mit diesen Werten sind Fenster und verglaste Partien in der Gebäudehülle die ausgewiesenen Schwachstellen, wenn es um Energieeinsparungen geht. Neben Anforderungen an die Energieeffizienz des neuen Fensters sollen aber auch Material und damit Gewicht eingespart werden. Dies ist speziell in großen Fensterelementen vor Vorteil, da das Gewicht einer Dreifachverglasung extreme konstruktive Anforderungen an die Halterung und die Dichtheit der Fenster stellt.
Der nette Nebeneffekt von weniger Glas ist also, dass Rahmen schmaler gehalten werden können und der Lichteinfall dadurch und durch die geringere Anzahl an Glaslagen erhöht werden kann. Zu geringer Lichteinfall bzw. solare Wärmegewinne können insbesondere bei sehr energieeffektiv zu planenden Gebäuden zu Herausforderungen führen.
Damit aber der Zuschlag an Sonneneinstrahlung in einem Gebäude im Sommer keine zu hohen Temperaturen erzeugt, werden zum einen die Oberflächen der Gläser mit Materialien bedampft, die eine geringe Emissivität aufweisen (Low-E coating). Zum anderen soll die neue Vakuumverglasung auch fotochrome Eigenschaften erhalten, d.h. dass die Oberfläche ihre Transluzenz auf Kommando ändern können soll. Dies ist auch zugleich die ’smarte‘ Eigenschaft der Fenster, auf die der Projektname hindeutet. Hiermit will man externe Verschattungssysteme, die oft recht teuer sind, überflüssig machen. Voraussetzung ist jedoch eine massenproduzierbare Lösung mit einer ausreichend langen Lebensdauer.
Des weiteren kann man beim Einsatz von Vakuumfenstern auf Edelgase wie Argon, Krypton oder Xenon verzichten. Diese ersetzen in herkömmlichen Fenstern die Luft im Scheibenzwischenraum und erhöhen durch ihre niedrigere Wärmeleitfähigkeit die Energieeffizienz der Fenster. Hierfür gelten jedoch Zwischenräume mit einer Dicke von ungefähr 15 mm als ideal, was dreifach verglaste Fenster inklusive der Dicke der Glasscheiben recht dick werden lässt. Der Scheibenzwischenraum in Vakuumfenster ist in der Regel nur einen Bruchteil eines Millimeters dick. Damit ist der Aufbau von Konstruktionen mit einer Dicke von 6 bis 8 mm möglich.
Das Vakuum zwischen den Glasscheiben kann dann auf zwei Arten erzeugt werden. Zum einen kann man die versiegelten Verglasungen über einen kleinen Absaugstutzen in einer der Scheiben evakuieren. Problematisch kann bei dieser Art der Herstellung die langfristige Dichtheit des Verschlusses sein. Zum anderen besteht die Möglichkeit, die aufeinander gelegten Gläser in einer Vakuumkammer zu versiegeln. Hierbei sind der Größe der Fenster jedoch Grenzen durch die Größe der Vakuumkammer gesetzt.
Vor dem Errichten des Vakuums zwischen den Gläsern legt man ein mikrofeines Gitter oder andere Formen von Abstandhaltern in den Scheibenzwischenraum. Diese sind im Fenster durch ihre geringe Materialdicke kaum mehr sichtbar, halten aber die Scheiben in einer stabilen Position und einem gleichbleibenden Abstand zueinander. Eine erhöhte Wärmeleitung durch das Abstandsmaterial nimmt man dabei in Kauf.
Ein Problem bei der Herstellung von Vakuumverglasung stellte bisher immer der Randverbund dar. Bei herkömmlichen Fenstern werden Profile aus Aluminium oder Kunststoff als Abstandhalter zwischen den Gläsern eingesetzt. Doch bei dem für Vakuumverglasungen notwendigen Unterdruck im Glaszwischenraum verformen sich diese Materialien zu sehr, so dass ein gasdichter Verbund über die angestrebte Lebensdauer eines Fensters nicht erreicht werden kann.
Bisher wurden daher Glasstreifen als Abstandshalter eingesetzt. Diffusionsdicht ist Glas ja zur Genüge. Doch es ist auch so spröde, dass es den Bewegungen des Fensters im Verbund der Glasscheiben aufgrund von Belastung aus Wind oder Temperaturschwankungen nicht ausreichend folgen kann. Das Ergebnis ist wiederum eine reduzierte Lebensdauer.
Ein weiteres Problem bei der Herstellung von Vakuumgläsern liegt in der begrenzten Auswahl von Beschichtungen. Die Effizientesten kommen hier nicht in Frage, da sie weich und nur bis etwa 250°C stabil sind. Bei Temperaturen von 400 bis 500°C, die normalerweise zum Verschweißen der Gläser notwendig sind, verdampfen sie einfach. Mit harten Beschichtungen kann man jedoch nicht unter einen U-Wert von etwa 1,1 W/m²K kommen.
Hierfür will man jedoch schon eine Lösung gefunden haben. Anstatt Glas auf Glas zu schweißen, wird beim Projekt Winsmart ein Streifen Zinn auf die Glasscheiben gelötet, indem elektrische Spannung angelegt wird. So kommt man mit Temperaturen um die 270°C aus. Die Abstandshalter werden dann nur noch in einer Vakuumkammer an den Kanten mit einem Laser verschweißt. Ein zweiter Vorteil der Zinnstreifen ist der Temperaturausdehnungskoeffizient von Zinn, der dem von Glas ziemlich ähnlich ist. Damit sind Temperaturspannungen im Randverbund kaum mehr möglich. Zu guter Letzt hat diese Produktionsmethode den Vorteil einer höheren Geschwindigkeit, da das Glas nicht mehr erhitzt und abgekühlt werden muss.
Der fotochrome Effekt des neuen Fenster wird durch eine spezielle Beschichtung mit einer Dicke von nur 100 bis 200 Nanometer erzielt. So wird das Material für eine erste stromleitende Schicht in der Vakuumkammer durch Erhitzung vaporisiert und auf eine Scheibe aufgedampft. Darauf wird dann die schaltbare Schicht aufgedampft, die beispielsweise aus Wolframoxid bestehen kann. Eine dritte Schicht ist dann wiederum leitend. Ziel soll es sein, dass das Fenster eigenständig über Sensoren den Lichteinfall messen kann und das Wolframoxid bei Bedarf die Scheibe abdunkelt. Allerdings ist dieses Verfahren des Aufbringens der Schichten energetisch recht aufwändig, so dass man auch hier versucht, neue Lösungen zu finden.
Um U-Werte von 0,3 W/m²K erreichen zu können, darf man jedoch nicht nur beim Glas ansetzen. Auch der Rahmen muss bei dieser Zielsetzung wesentlich verbessert werden. Hier fallen unter anderem die Begriffe Vakuum und Aerogel. Eine weitere Herausforderung für die Forscher.
Da man sich einen U-Wert von 0,3 W/m²K zum Ziel gesetzt hat, wird der Erfolg von Experten angezweifelt, wenn man mit nur zwei Glasscheiben auskommen will. Bisherige Entwicklungen geben ihnen Recht, denn auch mit Vakuumverglasung mit drei Scheiben und weicher Beschichtung erreicht man heute nur U-Werte von etwas weniger als 0,3 W/m²K.
Das Forschungsvorhaben soll zwar in 4 Jahren abgeschlossen sein, doch die Teilnehmer des Projektes rechnen erst in 5 bis 10 Jahren mit einer breiten Verfügbarkeit der neuen Fenster am Markt. Bis dahin wollen die Projektbeteiligten auch die Produktion soweit optimiert haben, dass man die Fenster an heutigen Fließbändern produzieren kann.
Was erst in 5 bis 10 Jahren … Ich brauche jetzt neue Fenster … Kann man als Forschungsobjekt an dieser Forschung teilnehmen?
VG
Christian von Kosten senken Klima schützen
Das wäre eine Anfrage wert. Allerdings gibt es Vakuumverglasung schon heute, nur eben nicht mit den Finessen, wie sie zur Zeit erarbeitet werden, und zu einem Preis, der kaum konkurrenzfähig ist.
Das Vakuumisolierglas ist eine super Sache, wenn es denn tatsächlich diese Werte erreicht. Allerdings sollte unbedingt am Marketing gearbeitet werden, denn kaum jemand dürfte davon gehört haben. Wenn niemand dieses Produkt kennt, wird auch nicht bei uns Glasern nachgefragt. Ein „Knackpunkt“ werden auch die Preise sein, denn einen hohen Mehrpreis wollen die meisten Kunden nicht bezahlen. Eine kostengünstige Produktion an Fließbändern ist daher wohl ein absolutes Muß. Mal sehen wie sich das Produkt entwickelt, genügend Potential ist ja vorhanden.
Eigentlich Unverständlich das heutzutage verbautes Isolierglas U Werte von 0,8 hat, wenn es Alternativen wie das Vakuumisolierglas mit 0,3 W/m²K gibt.
Eigentlich nicht… da sind zum einen Preis und Verfügbarkeit, die häufig ein Hindernis darstellen. Zum anderen ist dort das optische, da VIG nicht ganz die Durchsichtigkeit bietet, die man von normalen Glasscheiben gewohnt ist.
Der Artikel ist ja von 2013. Eigentlich dürfte das Forschungsprojekt somit ja abgeschlossen sein. Gibt es Neuigkeiten dazu bzw. welche Ergebnisse wurden abschliessend erreicht ?
Ja, richtig. Das Projekt ist abgeschlossen.
Antworten gibt es hier (ich spare mir jetzt mal die umfangreiche Übersetzung):
http://cordis.europa.eu/result/rcn/194638_de.html